Duo Doppio – Antrittskonzert Prof. Jinhee Kim

Zwischen Resonanz und Verwandlung – Das Antrittskonzert von Jinhee Kim

Mit ihrem Antrittskonzert am Dienstag, den 21. Oktober, in der kleinen Aula der Staatlichen Hochschule für Musik Trossingen stellte sich Jinhee Kim, neue Professorin für Gitarre seit 2021, gemeinsam mit ihrem Duo-Partner Damiano Pisanello als Duo Doppio vor. Unter dem Leitgedanken der musikalischen Bearbeitung präsentierten die beiden Werke von Schubert, Brahms, Ravel, Liszt, Bartók und Ginastera – allesamt ursprünglich für Klavier komponiert. Das Konzert war damit mehr als eine klangliche Demonstration: Es wurde zu einer Studie über die Übertragbarkeit musikalischer Strukturen und die Eigenlogik der Gitarre.
Schon in der Programmkonzeption zeigte sich dieser Anspruch. Die Auswahl spannte einen weiten Bogen – von klassischer Form bis rhythmischer Moderne, von romantischer Innenschau bis zu südamerikanischer Farbigkeit und Spielfreude.

Schubert als Ausgangspunkt

Schuberts beide Impromptus, c-Moll op. 90 Nr. 1 und Ges-Dur op. 90 Nr. 3, entstanden 1827, im Jahr vor seinem Tod, gehören zu jenen späten Klavierstücken, in denen sich Schuberts idiomatische Sprache zwischen Lied und Sonate verdichtet. Kim und Pisanello eröffneten den Abend mit einer kontrollierten, fein strukturierten Interpretation des c-Moll-Impromptus: die pochende Achtelbewegung im Bass blieb gleichmäßig gespannt, während darüber die melodischen Linien mit klarem Atem geformt wurden. Die Stimmen traten deutlich unterscheidbar hervor, was den polyphonen Charakter des Stücks auf eindrucksvolle Weise hörbar machte und neue Perspektiven auf das Werk ermöglichte. Im »G-Dur-Impromptu« (eigentlich Ges-Dur – schade dass das Programmheft hier und an anderen Stellen so ungenau war!)  fand das Duo dann zu großer Geschlossenheit: die Phrasen flossen unangestrengt und stets voller poetischer Imaginationskraft, der Klang wurde heller und durchsichtiger – fast kammermusikalisch im Tonfall.

Bartók und die volksmusikalische Rhythmik

Bartóks Six Dances in Bulgarian Rhythm aus dem Mikrokosmos (1939) führen Volksmusikelemente in die Struktur einer hochreflektierten Moderne über. Das Duo gestaltete diese Miniaturen mit großer rhythmischer Klarheit. Die ungeraden Metren (7/8, 9/8, 5/8) blieben stets organisch verbunden, auch wenn das Zusammenspiel an wenigen Stellen unsauber war. Besonders überzeugend war die Balance zwischen klanglicher Expressivität und analytischer Durchzeichnung, wobei gerade auch die ruppigeren Passagen enorm vom hier dann auch zupackenden und das Geräuschhafte nicht scheuenden Gitarrenklang profitierten. Die ›Klassiker aus dem Klavierunterricht‹ gewannen so erfrischende neue Facetten, wurden zu mitreißenden Beispielen zu Kunstmusik transformierter Volksmusik.

Brahms und das »Herzgespräch«

Das Intermezzo A-Dur op. 118 Nr. 2 (1893) gehört zu Brahms’ späten Klavierwerken und war Teil eines Zyklus, den er Clara Schumann widmete. Brahms schrieb ihr, das Stück enthalte »eine Fülle von Empfindung im kleinstmöglichen Raum«; Clara nannte es ein »Herzgespräch«. Kim und Pisanellos Bearbeitung betonte diesen dialogischen Charakter durch die klare und sehr überzeugende Aufteilung der Stimmen. Die Binnenstimmen, auf zwei Instrumente verteilt, gewannen an Durchsichtigkeit, während die sanglichen Melodien vor lauter Süße nur so dahinflossen. Man mag es allenfalls für manieristisch halten, dass kaum ein Akkord nicht-arpeggiert erklang, das gesamte Stück so ein wenig an Schärfe verlor und irgendwo in den Höhen musikalischer Traumwelten mit reichlich Rubato schwebte und dynamische Extreme vor allem im Bereich knapp an der Hörgrenze suchte: Es ist allerdings eben auch spezifisch gitarristisch und sei in Anbetracht der grandiosen Musikalität, innerhalb welcher dies stattfand, mehr als gerne in Kauf genommen.

Ravel, Liszt und Ginastera – Farbe, Bewegung, Verdichtung

Ravels Sonatine (1905) stand dem gerade verklungenen Brahms in vielerlei Hinsicht gegenüber. Der erste Satz, hochvirtuos bearbeitete zeigte klare thematische Gliederung, der zweite – ein stilisiertes Menuett – feine rhythmische Schattierungen und abermals bewusst reduzierte Dynamik. Das Duo, das hier auswendig musizierte, bewahrte die Transparenz der Struktur und ließ Ravels Linienführung in kontrollierter Beweglichkeit aufleuchten.
Liszts „O lieb, so lang du lieben kannst“ (Liebestraum S. 541) erklang in einem ebenso ambitionierten Arrangement, das, bedenkt man die Fallhöhe, die entsteht, wenn sich zwei Gitarristen an das Kernrepertoire der Klaviermusik heranwagen, durchaus zu erwarten ist; hier vermisste man dann aber doch die klangliche Tiefe und Brillanz, die nur dem Klavier gegeben ist – virtuos und musikalisch war jedoch auch diese Interpretation, wobei stellenweise deutlich zu hören war, dass hier Instrumente und Interpreten an die Grenzen des Machbaren stießen.
Den Abschluss bildeten Ginasteras Danzas Argentinas op. 2 (1937). In der höchst originellen Gitarrenfassung entfaltete sich diese abwechslungsreiche Musik in besonders feinen Farbnuancen: Mal feurig zupackend, mal melancholisch introvertiert bildete diese Reihe verschiedener südamerikanischer Tänze den Höhepunkt des Konzerts, auch, da die Gitarre nicht umsonst einen wichtigen Platz in dieser Musik einnimmt und die großen Stücke des Originalrepertoires oft auf dieser Musiktradition fußen. Nach langem Applaus folgte ein Satz aus Mendelssohns Liedern ohne Worte und ein Intermezzo von Manuel María Ponce als leise, feinsinnig und berührend interpretierte Zugaben.

Resonanz und Verwandlung

Das Konzert zeigte, wie weit sich pianistische Klangsprache in die idiomatische Welt der Gitarre übertragen lässt, ohne ihre strukturelle Substanz zu verlieren. Das Duo Doppio überzeugte durch klangliche und technische Präzision, poetische Expressivität und ein ausgeprägtes Gespür für Agogik und Dynamik. So wurde aus dem Antrittskonzert nicht nur ein (reichlich verspäteter!) künstlerischer Einstand, sondern ein analytisch reflektierter Beitrag zur Frage, wie Musik im Prozess der klanglichen Übersetzung neue Gestalt gewinnt.

Adrian T. Brenneisen

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