Praktizierter Denkmalschutz: Architektonische Entwicklung des „Birk-Areals“

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Architekturstudentin macht Umwandlung der ehemaligen Kartonagenfabrik Birk zum Thema ihrer Masterarbeit

Vortrag am Dienstag, den 21. März um 19.30 Uhr Sanierungsgebiet „Löhrstraße“ Am 14.12.2015 wurde durch den Gemeinderat Trossingen das Sanierungsgebiet „Löhrstraße“ förmlich festgelegt. Dieses Gebiet erstreckt sich im Wesentlichen entlang der Löhrstraße, der Lindenstraße, der Kirchstraße, Rosenstraße und der Bohnengasse. Dies bedeutet, dass innerhalb dieses Bereichs bestimmte Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen unter gewissen Voraussetzungen finanziell durch das Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg gefördert werden können. Ziel dieser Unterstützung durch das Land ist es Anreize zu schaffen, die die innerstädtische Bauentwicklung im Sinne einer Verbesserung der Wohn- und Lebensqualität vorantreiben, um das Stadtbild aufzuwerten, Stadtteile lebendig und attraktiv zu gestalten und sozialen Zusammenhalt in einem Quartier zu stärken. Das Sanierungsgebiet „Löhrstraße“ war ursprünglich bis 2024 angesetzt, wurde aber mittlerweile bis 2026 verlängert.

Das innerstädtische Birk-Areal

Die innerstädtische ehemalige Trossinger Kartonagenfabrik Birk liegt genau mittig in diesem Sanierungsgebiet. Mehrere Gebäude umschließen einen Garten mit altem Baumbestand, wodurch sich der Charakter eines Areals ergibt. Diese parkähnliche Anmutung ist im innerstädtischen Bereich mittlerweile einzigartig, da viele ähnliche Anlagen dieser Art in den letzten Jahren verschwunden sind und dem Wohnungsbau weichen mussten. Darüber hinaus ist der Charme des gesamten denkmalgeschützten Birk-Areals bemerkenswert, denn die Produktion und das Eigenleben in den Gebäuden liefen über all die Jahre unverändert und bedurften keiner baulichen Veränderung. Das Areal grenzt an den Stadtgarten, welcher als Verbindungselement zwischen Musikhochschule, Verwaltung und Schulen fungiert. Durch diese zentrale Lage des Gebäudeensembles ist dessen Umwandlung und zukünftige Nutzung für die Stadt Trossingen von besonderer Bedeutung.

In enger Abstimmung mit dem ehemaligen Besitzer Frank Thomas Birk wurde in kleiner Gruppe über einen längeren Zeitraum hinweg ein Konzept zur Neustrukturierung entwickelt. Dieses Konzept sieht vor, dass die künftigen Nutzer sich in Anlehnung an das Prinzip einer Baugruppe zusammen finden. Für dessen Realisierung wurden die Gebäude in einem Zwischenschritt an den Ingenieur Stefan Gsellinger aus Trossingen und den Architekten Mehmet Kahraman aus Düsseldorf verkauft. Wenn die Umnutzung behördlich genehmigt ist, können die einzelnen Baugruppenmitglieder ihre Einheiten erwerben und der Ausbau kann beginnen.

Reaktivierung eines Stadtareals in ein innerstädtisches Gemeinschaftszentrum: Thema einer Masterarbeit Vor einigen Monaten stieß ein Mitglied der Baugruppe zufällig in den sozialen Medien auf die hochinteressante Masterarbeit der Architekturstudentin Corinna Kernl aus Karlsruhe. Am Beispiel der Kartonagenfabrik Birk hatte sie ein Gesamtkonzept ausgearbeitet, wie dieses Stadtareal reaktiviert und in ein innerstädtisches Gemeinschaftszentrum umgewandelt werden kann. Die Neugierde war groß Kernl kennenzulernen und mehr über diese Arbeit zu erfahren. Nach einer ersten Kontaktaufnahme und anschließendem regen gedanklichen Austausch entstand die Idee für eine Präsentation dieser Arbeit vor Ort hier in Trossingen.

Intention: Gemeinschaft und Integration

Bei der Suche nach einem Thema für ihre Abschluss-Masterarbeit war die gebürtige Rottweilerin Anfang 2020 auf die Bestandssubstanz des Areals und den bevorstehenden Wandel aufmerksam gemacht geworden, da der ehemalige Firmenbesitzer plante die Produktion zum 31.08.2020 einzustellen und die Firma zu schließen. Kernl informierte sich näher bei der Stadt und dem Besitzer über die städtischen Strukturen und ihre Probleme. Trossingen entpuppte sich ihr als interessanter Ort, welcher ihrer Meinung nach zwar einige Missstände aufweist, aber dennoch großes Potenzial besitzt.

Sie stellte bei ihren Recherchen fest, dass es zwar einige funktionierende Zentren für Kultur, Einkaufen, Stadtverwaltung und Bildungszentren gibt, aber ein Fokuspunkt für Gemeinschaft fehlt, d.h. ein Ort, an dem sich Menschen treffen und austauschen können. Ein Ort, wo Grenzen aller Gesellschafts- und Altersschichten überwunden werden und Integration stattfinden kann, so dass ein Stadtteil vollständig in das innerstädtische Leben eingebunden ist.

Wenn sich ein Wandel bezüglich einer Gebäudeumnutzung innerhalb eines Stadtkerns ankündigt, stellen sich unweigerlich Bedenken ein. Besonders dann, wenn es um einen historischen Gebäudekomplex in so zentraler Lage geht. Aber jede Nutzungsänderung birgt auch eine Chance für eine positive städtebauliche Entwicklung. Wird diese Chance allerdings vertan, könnte dies möglicherweise in einem Imageverlust für eine Stadt enden. Kernl wurde nach ihrer genaueren Analyse des Ortes und seiner Probleme schnell klar, dass sich das Fabrik-Areal und dessen zukünftige Entfaltung als Thema für eine Masterarbeit anbieten würde. Eine Masterarbeit bietet die Möglichkeit ein umfassendes Konzept in aller Konsequenz auszuarbeiten, ungeachtet aller behördlichen und denkmalrechtlichen Auflagen. Es ist sozusagen ein theoretisches Konstrukt und man agiert in einem geschützten Rahmen, der alle Ideen und Überlegungen zulässt. So veranschaulicht sie an dem Beispiel der Kartonagenfabrik mit der „Reaktivierung eines Stadtareals“, dass eine bauliche und gesellschaftliche Lücke mit Hilfe gemeinschaftlicher und kultureller Infrastruktur gefüllt werden kann.

Die Themenbereiche und Aspekte, die in dieser Masterarbeit erläutert werden, sind auch für die bestehende Baugruppe sehr inspirierend. Denn auch deren Intention ist es neben der angestrebten Wohnnutzung einen lebendigen Ort zu schaffen mit gemeinschaftlichem Garten und einem Umfeld für Kulturschaffende und Kreative. Das zukünftige Miteinander und damit auch die Möglichkeiten, wie das Gelände genutzt werden kann und soll, ist eine Fragestellung, die zurzeit gemeinschaftlich von den Interessenten definiert wird. Daher ist der Kontakt zu Frau Kernl und deren Sichtweisen eine willkommene Anregung und ein guter Wegweiser für ein zukünftiges Miteinander, auch über das Private hinaus.

Vortrag in den Räumen der ehemaligen Kartonagenfabrik Birk am Dienstag, den 21. März Die städtebaulichen Betrachtungen sind auch für die Allgemeinheit von Interesse, bieten sie doch viele Anregungen für ein soziales Miteinander, auch über die Umnutzung der Kartonagenfabrik hinaus. Daher wird Corinna Kernl am Dienstag, den 21. März um 19.00 Uhr ihre Masterarbeit vorstellen. Hierzu wird im 2. OG des Altbaus eine Ausstellung aufgebaut, in der ihre ausgearbeiteten Pläne und Modelle gezeigt werden. Der Zugang zur Ausstellung erfolgt über die Bohnengasse. Zusätzlich wird Stefan Gsellinger das bestehende Baugruppen-Modell erläutern und über den aktuellen Stand der tatsächlichen Planungen informieren. Frau Bürgermeisterin Susanne Irion hat ihr Kommen zugesagt.

Wer am 21. März nicht kommen kann, hat noch am Sonntag, den 26. März 2023 die Möglichkeit sich die Ausstellung anzuschauen. Jeweils um 14.00 Uhr und um 15.30 Uhr wird Stefan Gsellinger durch die Ausstellung führen und Fragen dazu beantworten.

Interessierte sind herzlich eingeladen. Da die Räumlichkeiten zurzeit nicht mehr geheizt werden können, denken Sie bitte an warme Kleidung.

Preis: Eintritt frei

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