
Bundesschulmusikorchester begeistert Trossingen
Das Bundesschulmusikorchester (BSMO) eröffnete mit einem vielseitigen und anspruchsvollen Programm die Konzertsaison des Wintersemesters und präsentierte dabei am Freitag, 26.10.2025 die künstlerische Seite von Schulmusiker:innen aus ganz Deutschland – jenseits der Pädagogik. Den Verein und die Hochschule für Musik Trossingen verbinden bereits die Arbeitsphase des BSMO im Jahr 2018 unter der künstlerischen Leitung von Hannes Reich sowie die des Bundesschulmusikchors (BSMC) im vergangenen Semester unter der Leitung von Prof. Michael Alber. So standen einige der Musiker:innen bereits als Sänger:innen auf der Bühne des Konzertsaals und freuten sich über ihre Rückkehr. Die an diesem Abend eingenommenen Spenden kamen dem Förderverein der Hochschule, um bedürftige Studierende zu unterstützen, zugute. Gespannt wartete das zahlreich erschienene Publikum auf den Beginn des Konzerts im stimmungsvoll beleuchteten Konzertsaal der Hochschule. Vereinzelte Schulmusikstudierende aus Trossingen unterstützten ihre Kommiliton:innen aus ganz Deutschland dabei aus dem Zuschauerraum heraus.
Goldene Fanfaren eröffnen das Konzert
Mit brillanten Klängen verkündeten die Blechbläser den Beginn. Die Fanfare pour précéder aus dem Ballett La Péri von Paul Dukas (1865–1935) führte die Zuhörer:innen geschmeidig in das Programm. Die markante Klangsprache des kurzen Werks entfaltete sich in majestätischer Pracht, zugleich prägnant und kurzweilig. Die Bläser überzeugten durch saubere Intonation und präzises Zusammenspiel – ein stimmiger Auftakt für den Konzertabend.
Rhapsodie in Orangerot – Eine Solistische Meisterleistung
Ein rötliches Licht tauchte den Raum in eine ruhige, fast kontemplative Atmosphäre, als sich die Bühne für Sergei Rachmaninows (1873–1943) Rhapsodie über ein Thema von Paganini op. 43 langsam füllte. Aus verschiedenen Türen und Ecken strömten die Studierenden herbei und besetzten nach und nach die leeren Plätze.
Das Werk basiert auf dem letzten der 24 Capricci für Solovioline von Niccolò Paganini (17821840), einem Thema, das bereits zahlreiche Komponisten zu Variationen inspiriert hatte darunter Brahms und Liszt. Rachmaninow gestaltete daraus 24 Variationen, ergänzt um eine dramatische Introduktion, und integrierte zusätzlich das mittelalterliche Dies irae-Motiv aus der lateinischen Totenmesse, das sich wie ein dunkler Kontrapunkt durch mehrere Variationen zieht. Klavier und Orchester begegnen sich dabei in der Ausführung der Variationen auf Augenhöhe und gleichberechtigt. Für den BSMO war es erfrischend, zur Abwechslung wieder ein solistisches Werk im Repertoire zu haben.
Dirigent Prof. Richard Wien und Pianist Alexander Sonderegger betraten die Bühne mit einem angenehmen Schlendern. Ihre entspannte Haltung spiegelte sich etwas in den ersten Tönen des Werks wider, die zunächst verhalten, fast tastend erklangen. Orchester und Solist mussten sich hörbar erst an den trockenen Raumklang gewöhnen. Doch mit jedem rhapsodischen Gedanken wuchs das gegenseitige Vertrauen – in den Klang, in die Akustik, in die musikalische Kommunikation. Alexander Sonderegger spielte mit großer Präzision und feinem Gespür für Dynamik – zuweilen vorsichtig, aber stets klar und musikalisch. Prof. Wien dirigierte das Orchester unaufdringlich akkurat. Er hielt die musikalischen Fäden unauffällig zusammen und ließ sowohl Solist als auch Werk ausreichend Gestaltungsfreiraum. Eine bizarre Begebenheit stach dabei etwas heraus: Im Publikum ließ sich neben dem raschelnden Programmblättern auch der eine oder andere dezente Dampfkringel eines Vaporizers wahrnehmen – ein Moment, der in einem klassischen Konzertsaal wohl eher deplatziert und irritierend wirkte.
Als Zugabe spielte Alexander Sonderegger die Étude-Tableau op. 39 Nr. 9 von Sergei Rachmaninow. Auch das Orchester hörte dabei aufmerksam zu – ein kollegialer Abschluss der ersten Hälfte des Konzertes.
Liebe, Tanz und Tragik – Prokofjews „Romeo und Julia“
Mit Sergei Prokofjews (1891–1953) Suite aus dem Ballett Romeo und Julia begann die zweite Konzerthälfte mit intensiven Dissonanzen. So hatten die Fanfaren von Paul Dukas nun doch noch ein Ballett zu eröffnen. Die einzelnen Sätze boten ein breites Spektrum an musikalischen Stimmungen – von energisch massiv bis hin zu fragil und kammermusikalisch reduziert.
Prokofjews klangdichtes und charakterstarkes Werk forderte das Ensemble in vielen Momenten, insbesondere an recht exponierten und virtuosen Satzstellen. Trotz einiger heikler solistischer Einwürfe blieb der Gesamteindruck geschlossen. Kleinere Unschärfen wurden musikalisch gut eingebettet und traten kaum hervor. Insgesamt bot das Ensemble eine reiche Bandbreite an Klangcharakterisiken an. So konnte man vor besonders lauten Schlagwerkstellen auf der Bühne beobachten, wie sich einige Orchestermitglieder abwartend die Ohren abschirmten – eine kleine Geste, die die Wucht der Musik gut beschreibt. Dirigent Prof. Richard Wien agierte nun deutlich aktiver und gestenreicher als in der ersten Hälfte des Konzertes.
Besonders auffällig war die Kommunikation der Musiker:innen auf der Bühne: Zahlreiche Blickkontakte und vereinzeltes Lächeln vor besonders mitreißenden Stellen zeugten von einer wunderbaren Spielfreude des Orchesters und einer erfolgreichen Arbeitsphase des BSMO.
Zum Solisten: Alexander Sonderegger
Alexander Sonderegger zählt zu den vielseitigen Pianisten seiner Generation. Internationale Auftritte führten ihn u. a. in die Stuttgarter Liederhalle, den Musikverein Wien, das Mozarteum Salzburg, das Konzerthaus Berlin, den Gasteig München, die Lentua Hall in Finnland sowie die Carnegie Hall in New York. Als Solist konzertierte er mit renommierten Orchestern wie den Stuttgarter Philharmonikern, dem Morocco Philharmonic Orchestra und dem Orquesta Sinfónica de la Región de Murcia.
Geboren in Petrosawodsk (Russland), studierte er an der HMDK Stuttgart bei Kirill Gerstein, Shoshana Rudiakov, Péter Nagy und Florian Wiek. Sein Konzertexamen schloss er mit Auszeichnung ab. Alexander Sonderegger ist mehrfacher Preisträger internationaler Wettbewerbe in Rom, Prag, New York, Murcia und Maisons-Laffitte.
Neben seiner solistischen Tätigkeit widmet er sich intensiv der Kammermusik – insbesondere im Sonderegger Duo mit seinem Bruder, dem Geiger Eduard Sonderegger. Seit 2021 ist er Dozent für Klavier an der HMDK Stuttgart. 2024 erschien seine Solo-CD Five Sides of Fantasy mit Werken von Bach, Busoni, Chopin, Skrjabin und Balakirev.
– Amelia Kneer
Zum Jubiläum: 30 Jahre BSMO
Mit den Konzerten in Stuttgart und Trossingen feierte das BSMO nicht nur 30 Jahre studentisches Engagement, sondern sendete ein Signal für die Zukunft: Schulmusik lebt vom Austausch, von gemeinsamen Projekten und von der Leidenschaft, große Musikwerke jenseits des Studienalltags zu erarbeiten. Das Jubiläum zeigt, dass Begeisterung und Zusammenhalt auch nach drei Jahrzehnten ungebrochen sind und die Schulmusik nach vorn drängt, Engagement zeigt und dadurch sichtbar ist: Im Orchester spielend, im Chor singend oder in Schulen und anderen Einrichtungen gemeinsam mit anderen Menschen den Zauber der Musik vermittelnd.